3 x petra + 1 Accessoire

Aus der Werbung: Millionen Frauen auf der Welt haben "Intuition" entdeckt.

Im Fernsehen werden mal wieder Arbeitsscheue und Arbeitshörige aufeinandergehetzt. Ich bin auf der Seite der Arbeitsscheuen. Ich finde das eigentlich einen positiv niedlichen Begriff. In der Pause schalte ich um, auf Pro Sieben läuft „Sam“, keine Ahnung was das ist, aber es geht um eine Familie in der Krise, der Mann hat seinen Job verloren, die Ehe geht in die Brüche, er hat schon von Selbstmord geredet. „Aber soweit muß es ja gar nicht kommen“ sagt die Erzählstimme, „er weiß noch nicht, daß er nächste Woche zum Vorstellungsgespräch geladen wird“. Eine hoffnungsvolle, positive Musik erklingt. Ich kotze. Wieder zurück nach Sat 1, zu „Britt“. Die Arbeitsgläubigen sind empört und ich glaube sie würden den 25 Jährigen Ausländer am liebsten lynchen, nur weil er dazu steht, daß er keine Lust hat zu arbeiten. Britt beruhigt sie dann und sagt Dinge wie: „Ich kann das gut verstehen, daß du sauer bist, ich denke deine Meinung ist die von sehr vielen anderen“. Das glaube ich auch. Leider ist es wie immer in diesen Sendungen und keiner bringt die wirklich guten Argumente. Naja, was habe ich erwartet.

Auf der anderen Seite der Hochebene stand sie. Ich wäre ja gerne mal rübergegangen um Hallo zu sagen und ein paar nette Dinge. Aber es ging nicht. Die Brücke zwischen uns wurde gerade abgerissen.

people pushin by - they walking off into the night. Vor sechs Monaten war ich in Beijing. Gesichter Gesichter. Taxis, Nutten, bettelnde Kinder und Abenteurer vor den Clubs, in den Bars eine ungeheure Masse Energie, die Nacht nimmt kein Ende und ich habe trotzdem kein Zuhause. Jetzt bin ich hier und arm, in einer Chinesenfirma soll ich Schiffe verkaufen und es ist alles ganz anders. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, heute war ich wieder Barkeeper. Ich bin der liebe Onkel, der euch Drinks einschenkt. Nichts habe ich heute öfter gesagt als: "M--hm". Will heißen: Okay. Eine Drum und Bass "Band" aus Leipzig gab ihr bestes, und sie haben schon das beste draus gemacht. Jazzpiano und Holzbläser to the Beats. Und eine Sängerin. Sie war das beste. Hatte so eine würdevolle Haltung und dabei so energetisch. Schöne Stimme auch. Die waren zu fünft - ich schätze, zwei Paare und der Fahrer. WAr es so? Ziemlich egal. Ich werde sie nie wiedersehen.

Immer wenn man keine Zigaretten hat sind sie am wichtigsten. Ist natürlich alles nur Einbildung, eh klar, ich weiß und so. Ich kann nicht schlafen dabei ist es schon so spät. Außer rauchen habe ich keine sinnvolle Idee. Schön blöd. Ich fühle mich seltsam verkommen, kürzlich bekam ich zumindest gesteckt ich solle mal auf meinen Ton achten. Meine Art überhaupt. Vielleicht ist es ja nur die Suggestivwirkung und mit mir ist noch alles in Ordnung? Subjektiv gesehen? Hehehe. Genau. Auf jeden Fall tauge ich nicht zum Businessman. Heute: Totalversagen. Für alle, die es nicht Wissen: ich, ein Freak, einer der sein Leben lang immer alles anders gesehen hat als viele, soll in einer asiaten Firma den Draht zum deutschen Kunden/ Partner etc. herstellen. Aber natürlich geht es um keine Kinkerlitzchen, sondern gleich um die ganz dicken Geschäfte. Und davon habe ich echt keine Ahnung. Businesstalk. Geschäftsgebahren. Der gängige Scheiß halt in der Scene. Ich war länger in Asien, deshalb kann ich deren Sprache, dehalb habe ich den Job, deshalb versuche ich mich in business. Ich bin nicht mehr so jung und brauche das Geld. Nur heute ... ich konnte nicht. Totalverweigerung. Ich führte ein Telefongespräch, es klang wie ein hilfloser Versuch. Ich wollte lieber zu Hause sein. Im Gespräch mit jemand, der täglich Millionenbeträge bewegt, kann man sowas nicht bringen. Die werden dann sauer. Ich wußte es wird heute nicht gut gehen, ich werde den Namen meiner Firma in den Dreck ziehen ... ich muß weg. ich nahm mir eine Stunde früher frei. Keine Ahnung, was die jetzt von mir denken. Was soll man da schon erklären? Naja, die Wahrheit ist, Business und Kiffen vertragen sich einfach nicht. Man glaubt sich dann kein Wort mehr. So als sensibler degenerierter Stadtindianer. Der letzte Hippie. Später legte ich mich ins Bett und weinte, ich dachte: "du bist echt ganz schön durch", danach ging ich zu Freunden in die Kneipe und hatte die meiste Zeit ein Grinsen im Gesicht, jetzt fühle ich mich tot.

Es gibt Musik die muß ich nur hören und ich fange an zu weinen. Gerade habe ich eine solche CD gehört. Gestern war ich zu Besuch bei Frau E. Sie ist immer so beherrscht. Ich fragte warum bist du so? Vielleicht ist es sicherer so zu sein. Ein bißchen Kontrolle. Es hat auf jeden Fall seinen berechtigten Grund, da bin ich sicher. Bei mir jedenfalls ist die abgeklärte Erscheinungsform die ich öfter an den Tag lege natürlich nur eine dünne Schicht, die sich im Laufe der Zeit über m ich gelegt hat und manchmal, plötzlich: Irgendein Auslöser, ein Bild, Ton, ein GEFÜHL ... und alles bricht zusammen.Ich erinnere mich sehr genau an die Zeit, als ich ein halbes Jahr nicht aus der Wohnung ging. Nachdem ich wochenlang nur Ferngesehen hatte, saß ich mit einem Transistorradio in der Küche und hörte auf Mittelwelle Sender aus aller Welt und auch alle Frequenzen dazwischen. Später saß ich stundenlang mit dem Telefonbuch unserer Stadt in der Hand herum und starrte auf die Namen und Nummern. Ich wollte Kontakt mit der Welt aufnehmen, das war klar. Aber so ging es natürlich nicht. Zuerst brauchte ich wieder eine Form, die mich mit dem Rest der Welt kompatibel machen konnte. Naja, und jetzt habe ich sie. Ich kann aus allem einen Witz machen, da bin ich auch echt froh drüber, ehrlich. Aber gerade geht es nicht. Ich denke an Leute die ich liebte und die sich so wenig liebten, daß sie irgendwann verschwanden. Scheiße. Manchmal habe ich Angst, auch so zu enden. Wenn ich meinen Humor verliere habe ich nicht mehr viel zu lachen. Ich muß mir das zugestehen. Aber es ist doch Frühling! Letztens in einem kleinen Club war es wirklich so: "Last night a Dj saved my life from a broken heart". Wenn man sich schon für das individuelle Glück versperrt, dann wenigstens ein herzliches Gruppengefühl.